Harnwegsinfektionen vorbeugen
- Praxis-Strandallee
- 17. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Beeren, Hormone, Immunbooster – für die Prophylaxe von rezidivierenden Harnwegsinfektionen werden ganz unterschiedliche Optionen propagiert. Doch die aktuelle Datenlage zeigt: Nicht alle können überzeugen.
Nicht-antimikrobielle Maßnahmen spielen in der Prävention wiederkehrender lokalisierter Harnwegsinfektionen (HWI) eine wichtige Rolle. Dem trägt die deutsche S3-Leitlinie zu unkomplizierten HWI Rechnung. Sie listet sieben verschiedene Optionen auf, von Cranberries über GAG*-Schicht-Substituenten bis zu Methenaminhippurat. Letzteres wird in den distalen Tubuli zum lokal antiseptisch wirksamen Formaldehyd hydrolysiert und soll in einer Dosierung von zweimal 1 g/d per os gegeben werden. In Deutschland ist es zurzeit nicht verfügbar, berichtete PD Dr. Jennifer Kranz von der Klinik für Urologie und Kinderurologie der RWTH Aachen. Sie stellte die neuesten Studien zu den verschiedenen Präventionsansätzen vor.
Cranberries
Für die Großfruchtige Moosbeere konnte 2023 in einem Cochrane-Review bei Frauen mit rezidivierenden HWI, Kindern und Personen nach medizinischen Interventionen eine prophylaktische Wirksamkeit gezeigt werden. Positive Effekte bestätigten sich auch in einem systematischen Review plus Netzwerk-Metaanalyse aus dem vergangenen Jahr. Anhand von 20 Studien wurden die Wirkungen von Cranberrysaft, Cranberrytabletten, erhöhter Flüssigkeitszufuhr und keiner Behandlung hinsichtlich der Prävention einer rezidivierenden Zystitis verglichen. Als primären Endpunkt definierte man die Anzahl erneuter Zystitiden, als sekundären die Symptomatik und den Antibiotikaverbrauch.
Der Konsum von Cranberrysaft führte im Vergleich zu keiner Behandlung zu einer um 54 % geringeren Häufigkeit von Harnwegsinfektionen und zu einem um 49 % reduzierten Antibiotikagebrauch. Gegenüber einer vermehrten Flüssigkeitszufuhr waren die Raten um 59 % bzw. 49 % vermindert. Unter Cranberryprodukten wurden außerdem HWI-assoziierte Symptome seltener. Leider gibt es keine ausreichenden Daten, die Rückschlüsse auf Darreichungsform, Dosierung oder Dauer der Prophylaxe erlauben, bedauerte Dr. Kranz. Dennoch könne man den Verzehr von Cranberries empfehlen.
Lokale Östrogenisierung
Durch die vaginale Applikation von 0,5 mg/d Estriol lässt sich bei postmenopausalen Frauen die HWI-Rate reduzieren. Diejenigen mit Mammakarzinom in der Anamnese sind laut Packungsbeilage von dieser Therapie ausgenommen, da man ein erhöhtes Rezidivrisiko befürchtet. Eine große Kohortenstudie mit knapp 50.000 Brustkrebspatientinnen im Alter zwischen 40 und 79 Jahren signalisierte im letzten Jahr Entwarnung. Im Nachbeobachtungszeitraum von 3–12 Jahren zeigte sich für die rund 2.600 Frauen (5 %) mit vaginaler Östrogenapplikation im Vergleich zu denen ohne jegliche Hormongabe kein erhöhtes Risiko, an ihrem Brustkrebs zu sterben. Das bedeutet, auch bei Patientinnen mit Mammakarzinom kann die lokale Östrogenisierung eine sichere Therapiemöglichkeit sein. Man sollte aber in Absprache mit der Gynäkologie eine ultraniedrige Dosis wählen, erklärte die Referentin.
In einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie hat man bei postmenopausalen Frauen mit urogenitalem Syndrom die HWI-präventive Wirksamkeit eines ultraniedrig dosierten Estradiol-Vaginalgels (0,005 %) mit der eines feuchtigkeitsspendenden Vaginalgels verglichen. Unter dem Verum gelang es nicht nur den vaginalen pH zu normalisieren, sondern auch die HWI-Inzidenz zu reduzieren. Sie lag im Beobachtungszeitraum von 24 Wochen um 26 % niedriger.
Immunmodulation
Für die Immunstimulation stehen verschiedene Substanzen zur Verfügung. Wie sie wirken, weiß man allerdings nicht genau, sagte Dr. Kranz. In einem systematischen Review von 2024 wurde der Effekt von fünf Präparaten (StroVac®, OM-89, ExPEC4V, MV140 und Solco-Urovac) untersucht. Im Hinblick auf Methodik und Studienpopulation waren die berücksichtigten 14 Studien mit insgesamt 2.822 Patientinnen und Patienten äußerst heterogen, gab die Kollegin zu bedenken. Auf Basis einer gepoolten Auswertung von acht placebokontrollierten Studien kam das Autorenteam dennoch zu dem Schluss, dass Immunstimulanzien die Wahrscheinlichkeit, über sechs bis zwölf Monate frei von HWI zu bleiben, signifikant erhöhen. Die Number-needed-to-treat wurde mit 6,45 errechnet, die Wirksamkeit als moderat bezeichnet.
Subgruppenanalysen ergaben jedoch keine Vorteile von OM-89, Solco-Urovac und ExPEC4V im Vergleich zu Placebo. Die „vielversprechendsten Ergebnisse“ lieferte das in Deutschland nicht verfügbare MV 140, sagte Dr. Kranz. Allerdings wurden drei der vier verfügbaren Studien zu MV140 durch dieselbe Studiengruppe durchgeführt.
D-Mannose
Ebenfalls im letzten Jahr erschien eine randomisierte, kontrollierte Studie, die die HWI-Rezidivprophylaxe mit 2 g/d D-Mannose versus Placebo prüfte. Primärer Endpunkt war der Anteil an Frauen, die innerhalb von sechs Monaten mindestens eine weitere Episode einer klinisch vermuteten HWI hatten und deshalb zum Arzt gingen. Dieser Endpunkt wurde in der Verumgruppe von 150/294 (51 %) und in der Placebogruppe von 161/289 Patientinnen (55,7 %) erreicht. Der Unterschied war nicht signifikant. Dies galt sowohl bei prä- als auch bei postmenopausalen Frauen. Was die sekundären Endpunkte – Symptomdauer, Antibiotikaverbrauch, Zeit bis zur nächsten behandelten HWI, Anzahl der vermuteten HWI, HWI-assoziierte Klinikaufenthalte – betraf, gab es ebenfalls keine signifikanten Unterschiede. Das Fazit von Dr. Kranz: Schaden kann man mit D-Mannose nicht. Patientinnen, denen es hilft, sollten es weiter nehmen.
Probiotika
In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie behandelte man 174 prämenopausale Frauen vier Monate lang in vier Gruppen: oral und vaginal mit Placebo, oral und vaginal mit Probiotika oder mit jeweils nur einer Verumoption. Am Ende des Therapiezeitraums war die HWI-Inzidenz unter ausschließlicher Placebogabe mit 70,4 % am höchsten, unter alleiniger oraler Applikation von Milchsäure- und Bifidobakterien lag sie bei 61,3 %. Hatten die Frauen vaginal Lactobazillen erhalten, sank die Inzidenz auf 40,9 %, hatten sie zusätzlich die orale Therapie bekommen sogar auf 31,8 %. Die durchschnittliche Anzahl symptomatischer HWI-Rezidive nach vier Monaten (primärer Endpunkt) war unter vaginaler signifikant niedriger als unter oraler Prophylaxe oder unter Placebo. „Bei den Probiotika tut sich was“, kommentierte Dr. Kranz.
* Glykosaminoglykan
Quelle: Kongressbericht - 13. Infektiologie-Update-Seminar 2025
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